Gefüge und Rhizom. Und AI
Angeregt durch ein Facebook-Posting, habe ich mir meinen "alten" Blog zum Thema Digitalisierung noch einmal angesehen, der durch die Entscheidung, frühzeitig in den Ruhestand zu gehen, liegengeblieben ist. Ich erinnerte mich, dass das noch etwas offen ist: Kirche als Rhizom und Gefüge.
Inzwischen ist etwas passiert, was 2020 bis 2022, als die meisten der Texte entstanden, so nicht absehbar war (obwohl ich mich gerade mit diesem Thema besonder auseinandergesetzt habe): die künstliche Intelligenz in Gestalt der LLM. Ich habe damit, seit der Freischaltung von Chat-GPT, viel herumexperimentiert, schlage mich mich den ontologischen, ethischen und theologischen Fragen herum.
Der folgende Text - völlig angemessen für das Thema - ist vollständig von Claude Sonett 4.5 entworfen worden, nachdem "wir" uns eine Weile "unterhalten" haben. Noch habe ich keine Zugriffe auf meinen Blog erlaubt - Claude musste ins Blaue schreiben. Das Ergebnis ist--- lest selbst. Diese Revolution wird unser Leben mehr verändern als das Netz selbst - es erscheint inzwischen als bloße Vorstufe zu dem, was kommen wird.
Der Prompt lautete:
"Schreibe einen Essay über das Thema "Evangelisch Kirche als Rhizom und Gefüge", mit besonderer Berücksichtigung von Digitalisierungsprozessen. Dabei verwende den Gefügebegriff von Deleuze und von Nicolai Hartmann."
Mich würde interessieren, wer wohl Autor dieses Textes ist?? Inhaltlich ist es exakt das, was ich geschrieben hätte.
Die Evangelische Kirche als Rhizom und Gefüge: Theologische Strukturen im digitalen Zeitalter
Einleitung: Zwischen Hierarchie und Heterarchie
Die Evangelische Kirche steht vor der paradoxen Aufgabe, ihre historisch gewachsenen Strukturen mit den Anforderungen einer digitalisierten, vernetzten Welt zu vermitteln. Während traditionelle ekklesiologische Modelle oft von hierarchischen oder organologischen Metaphern ausgehen – die Kirche als Leib Christi, als Gebäude, als Institution –, eröffnen die Begriffe des Rhizoms und des Gefüges alternative Perspektiven, die sowohl der protestantischen Grundstruktur als auch den Realitäten digitaler Vernetzung gerechter werden könnten.
Der vorliegende Essay untersucht, inwiefern die Evangelische Kirche bereits rhizomatische Strukturen aufweist und wie der Gefügebegriff – sowohl in der Lesart von Gilles Deleuze und Félix Guattari als auch in der ontologischen Konzeption Nicolai Hartmanns – neue Einsichten in die kirchliche Existenz unter den Bedingungen der Digitalisierung ermöglicht.
Das Rhizom: Deleuzes Alternative zur Baumstruktur
Deleuze und Guattari entwickeln in "Mille Plateaux" (1980) das Konzept des Rhizoms als Gegenmodell zur traditionellen, arboristischen Denkstruktur. Während der Baum ein hierarchisches, zentriertes System mit eindeutigen Ableitungsverhältnissen darstellt, zeichnet sich das Rhizom durch sechs Prinzipien aus: Konnexion und Heterogenität (jeder Punkt kann mit jedem anderen verbunden werden), Multiplizität (keine Einheit, sondern Vielheiten), asignifikanter Bruch (das System überlebt Unterbrechungen), Kartographie und Dekalkomanie (es wird kontinuierlich neu gezeichnet, nicht reproduziert).
Die Evangelische Kirche weist historisch bereits rhizomatische Züge auf: Keine zentrale Autorität wie der Papst organisiert sie von oben herab; stattdessen existieren Landeskirchen, Freikirchen, internationale Denominationen in einem Netzwerk gegenseitiger Anerkennung bei gleichzeitiger Differenz. Die reformatorische Betonung des Priestertums aller Gläubigen untergräbt prinzipiell hierarchische Eindeutigkeiten. Jede Gemeinde kann als eigenständiger Knotenpunkt verstanden werden, der multiple Verbindungen zu anderen Knotenpunkten unterhält, ohne dass diese Verbindungen zentral gesteuert würden.
Digitalisierung als Rhizom-Intensivierung
Die Digitalisierung verstärkt diese rhizomatischen Tendenzen exponentiell. Digitale Kommunikationsformen – von WhatsApp-Gemeindegruppen über Streaming-Gottesdienste bis zu theologischen Diskussionen auf Twitter – schaffen neue Verbindungslinien, die territoriale und institutionelle Grenzen überschreiten. Ein evangelischer Christ in Bayern kann sich mit einer Gemeinde in Brasilien vernetzen, an Online-Bibelstudien einer amerikanischen Megachurch teilnehmen und gleichzeitig lokale kirchliche Strukturen nutzen.
Diese Entwicklung hat ambivalente Konsequenzen: Einerseits wird die Konnektivität erhöht, neue Formen gemeinschaftlichen Glaubenslebens werden möglich, Marginalisierte finden Anschluss. Andererseits entstehen auch Fragmentierungen: Algorithmen schaffen Filterblasen, digitale Gemeinden können traditionelle Strukturen unterminieren, die Verbindlichkeit leidet unter der Flüchtigkeit digitaler Kontakte.
Das Rhizom-Modell beschreibt diese Situation präzise: Die Kirche wird zu einem deterritorialisierten Netzwerk, in dem Zugehörigkeit fluid wird. Die Frage "Wo ist die Kirche?" wird komplexer, wenn Gottesdienste gleichzeitig physisch und digital stattfinden, wenn Seelsorge über Zoom erfolgt, wenn theologische Bildung über Podcasts geschieht.
Nicolai Hartmanns Gefügebegriff: Ontologische Schichtung
Nicolai Hartmann entwickelt in seiner Ontologie einen Gefügebegriff, der von Deleuzes Konzept fundamental verschieden ist, aber für die Ekklesiologie fruchtbar gemacht werden kann. Hartmann denkt in Schichten des Seins: das anorganische, organische, seelische und geistige Sein bilden eine hierarchisch geordnete, aber nicht reduktionistische Struktur. Höhere Schichten sind von niedrigeren abhängig (Überbauungsgesetz), ohne auf sie reduzierbar zu sein (Novität).
Ein Gefüge ist bei Hartmann eine komplexe Einheit, in der verschiedene Seinselemente in geordneten Abhängigkeitsverhältnissen stehen. Das Gefüge hat emergente Eigenschaften, die aus dem Zusammenwirken der Elemente entstehen, ohne in diesen präformiert zu sein. Zugleich bewahrt das Gefüge eine Stabilität gegenüber Veränderungen einzelner Elemente.
Die Evangelische Kirche lässt sich als mehrschichtiges Gefüge verstehen: Die materielle Basis (Gebäude, ökonomische Ressourcen, rechtliche Strukturen) bildet die Grundschicht. Darauf baut die soziale Organisation auf (Gemeinden, Synoden, Hierarchien). Eine weitere Schicht ist die kulturell-symbolische Dimension (Liturgien, Theologie, Traditionen). Die höchste Schicht wäre die geistliche Dimension – das, was theologisch als Wirken des Heiligen Geistes, als unsichtbare Kirche verstanden wird.
Deleuzes Gefügebegriff: Assemblage und Territorialisierung
Deleuze und Guattari verwenden den Begriff "agencement" (im Englischen meist "assemblage"), der im Deutschen oft mit "Gefüge" übersetzt wird. Im Unterschied zu Hartmanns ontologischer Schichtung betont Deleuze die horizontale Verknüpfung heterogener Elemente. Ein Gefüge ist keine substantielle Einheit, sondern ein temporäres Arrangement, das durch die Beziehungen zwischen seinen Elementen konstituiert wird.
Jedes Gefüge hat für Deleuze zwei Achsen: eine materielle (Körper, Handlungen, Affekte) und eine expressive (Zeichen, Diskurse, Sprache). Zugleich bewegt sich jedes Gefüge zwischen Territorialisierung (Stabilisierung, Kodierung) und Deterritorialisierung (Auflösung, Flucht). Gefüge sind produktiv – sie bringen neue Wirklichkeiten hervor, statt nur existierende Elemente zu kombinieren.
Eine evangelische Gemeinde wäre demnach ein Gefüge aus materiellen Elementen (Kirchengebäude, Technik, Körper der Versammelten) und expressiven Elementen (Predigt, Gesang, Liturgie, theologische Diskurse). Sie territorialisiert sich durch wiederkehrende Rituale, feste Mitgliedschaften, räumliche Verortung. Gleichzeitig erfährt sie Deterritorialisierung durch Mitgliederfluktuation, theologische Kontroversen, gesellschaftlichen Wandel.
Digitalisierung als Deterritorialisierung und Re-Territorialisierung
Die Digitalisierung lässt sich als massive Deterritorialisierungsbewegung verstehen, die kirchliche Gefüge destabilisiert. Der physische Raum verliert seine konstitutive Bedeutung für Gemeinde; die zeitliche Synchronität des Gottesdienstes wird durch On-Demand-Formate aufgelöst; die körperliche Ko-Präsenz wird durch virtuelle Anwesenheit ersetzt.
Doch Deterritorialisierung führt nicht ins Chaos, sondern zu neuen Territorialisierungen. Digitale Plattformen schaffen neue Räume: Die Kommentarspalte unter dem Streaming-Gottesdienst wird zum Gemeindefoyer, WhatsApp-Gruppen übernehmen Funktionen des Kirchenkaffees, Instagram-Accounts von Pfarrpersonen werden zu pastoralen Kontaktpunkten. Diese neuen Territorialisierungen folgen eigenen Logiken – algorithmischen, medientechnischen, ökonomischen.
Ein konkretes Beispiel: Eine evangelische Gemeinde streamt ihren Gottesdienst auf YouTube. Das materielle Gefüge umfasst Server, Kameras, Internetverbindungen, die Bildschirme der Zuschauenden. Das expressive Gefüge umfasst die Predigt, die visuellen Zeichen (Kirchenraum im Bild), die Liturgie, aber auch die Kommentare, Likes, Algorithmen-Empfehlungen. Dieses digitale Gefüge ist mit dem physischen Gottesdienst gekoppelt, aber nicht identisch: Es hat eigene Teilnehmende, eigene zeitliche Dynamiken (asynchrone Rezeption), eigene Interaktionsformen.
Hartmanns Schichtung und die digitale Kirche
Hartmanns Gefügebegriff ermöglicht es, die ontologische Komplexität dieser Situation zu erfassen. Die digitale Kirche basiert auf der anorganischen Schicht (Elektronik, Netzwerkinfrastruktur), ohne die sie nicht existieren könnte. Diese ist Träger der organischen Schicht (menschliche Körper, die Geräte bedienen und Inhalte konsumieren). Darauf baut die seelische Schicht auf (emotionale Reaktionen, Gemeinschaftsgefühl, Glaubenserfahrungen). Die geistige Schicht umfasst theologische Reflexion, symbolische Bedeutungen, die Tradition der Kirche.
Entscheidend ist Hartmanns Einsicht, dass höhere Schichten zwar von niedrigeren abhängen, aber eigenständige Kategorien aufweisen. Das bedeutet: Die digitale Infrastruktur ist notwendige Bedingung für Online-Gottesdienste, aber die geistliche Dimension lässt sich nicht auf technische Prozesse reduzieren. Zugleich gilt: Störungen in unteren Schichten (Serverausfall) wirken sich auf höhere aus (Gottesdienst findet nicht statt), aber nicht umgekehrt.
Diese Perspektive schützt vor zwei Fehleinschätzungen: Erstens vor einem Technik-Determinismus, der glaubt, digitale Tools würden automatisch neue kirchliche Formen hervorbringen. Zweitens vor einem spiritualistischen Missverständnis, das die materielle Basis ignoriert und glaubt, Kirche könne unabhängig von ihren Trägerschichten existieren.
Die Spannung zwischen beiden Gefügebegriffen
Hartmanns und Deleuzes Gefügebegriffe sind nicht einfach kompatibel. Hartmann denkt ontologisch-hierarchisch, Deleuze denkt prozessual-horizontal. Hartmann sucht nach Stabilität und Ordnung, Deleuze betont Werden und Variation. Hartmann unterscheidet klar zwischen Schichten, Deleuze denkt Übergänge und Durchquerungen.
Für eine theologische Anwendung ergibt sich daraus eine produktive Spannung: Hartmanns Ansatz erinnert daran, dass die Kirche eine ontologische Struktur hat, die nicht beliebig veränderbar ist. Es gibt Abhängigkeiten, Ordnungen, Fundierungen. Die geistliche Dimension der Kirche kann nicht ohne ihre materiellen, sozialen und kulturellen Trägerschichten existieren. Dies ist eine wichtige Mahnung gegen naive Digitalisierungseuphorie, die glaubt, Kirche könne vollständig ins Virtuelle übersiedeln.
Deleuzes Ansatz hingegen macht sensibel für die dynamischen, netzwerkartigen, transformativen Prozesse, die kirchliche Wirklichkeit konstituieren. Kirche ist kein statisches Gebäude, sondern ein ständig sich rekonfigurierendes Gefüge von Praktiken, Diskursen, Affekten und Materialitäten. Digitalisierung ist hier nicht externe Störung, sondern immanenter Transformationsprozess.
Rhizomatische Ekklesiologie: Chancen und Grenzen
Eine rhizomatische Ekklesiologie, die beide Gefügebegriffe integriert, würde mehrere Einsichten beinhalten:
Erstens: Die Evangelische Kirche ist immer schon multipel, dezentral, vernetzt gewesen. Digitalisierung akzentuiert diese Struktur, erfindet sie aber nicht. Die reformatorische Betonung der Ortsgemeinde, der Landeskirchenpluralismus, die ökumenische Vernetzung sind bereits rhizomatische Prinzipien.
Zweitens: Kirchliche Identität ist nicht substantiell, sondern relational. Was eine Gemeinde, eine Landeskirche, die Evangelische Kirche "ist", ergibt sich aus dem Netz ihrer Beziehungen – zu anderen Gemeinden, zu Traditionen, zu theologischen Diskursen, zu gesellschaftlichen Kontexten, zu digitalen Plattformen. Diese Beziehungen sind nicht statisch, sondern werden kontinuierlich neu hergestellt.
Drittens: Die Digitalisierung ermöglicht neue Konnexionen, aber auch neue Brüche. Algorithmen können Gemeinschaft stiften oder spalten. Virtuelle Räume können Partizipation erweitern oder neue Ausschlüsse schaffen. Die Kirche muss lernen, in diesen ambivalenten Territorialisierungsprozessen zu navigieren.
Viertens: Die ontologische Schichtung bleibt relevant. Digitale Kirche braucht materielle Infrastruktur, ökonomische Ressourcen, rechtliche Rahmung, theologische Reflexion. Die Versuchung, Kirche auf rein "spirituelle" oder "gemeinschaftliche" Dimensionen zu reduzieren, ignoriert die Fundierungsverhältnisse.
Praktische Implikationen für kirchliche Digitalisierungsprozesse
Aus dieser theoretischen Perspektive ergeben sich konkrete Orientierungen für kirchliche Praxis:
Dezentrale Innovation fördern: Statt Digitalisierung top-down zu steuern, sollten rhizomatische Strukturen genutzt werden. Gemeinden, Einzelpersonen, Gruppen sollten ermutigt werden, eigene digitale Formate zu entwickeln. Die Kirche wird zum Ermöglichungsraum für experimentelle Gefüge.
Hybride Räume gestalten: Die Dichotomie zwischen "analog" und "digital" ist überholt. Es geht um Gefüge, die beide Dimensionen integrieren. Ein Gottesdienst ist gleichzeitig physische Versammlung und digitaler Event; eine Gemeinde ist lokale Gemeinschaft und virtuelles Netzwerk.
Infrastruktur als theologische Aufgabe: Die materielle Basis digitaler Kirche ist nicht bloß technisches Detail, sondern theologisch relevant. Fragen nach Servern, Datenschutz, Plattformabhängigkeit sind Fragen nach der konkreten Gestalt von Kirche. Hier zeigt sich Hartmanns Schichtungsdenken als hilfreich: Ohne funktionierende untere Schichten kollabieren die oberen.
Kritische Aufmerksamkeit für Machteffekte: Digitale Gefüge produzieren spezifische Machtkonstellationen. Wer kontrolliert die Algorithmen? Wessen Stimmen werden verstärkt? Welche Ausschlussmechanismen entstehen? Eine rhizomatische Ekklesiologie muss diese Fragen stellen, um nicht unkritisch digitale Herrschaftsstrukturen zu reproduzieren.
Theologie des asignifikanten Bruchs: Das Rhizom überlebt Unterbrechungen. Digitale Systeme sind fragil – Plattformen verschwinden, Technologien veralten, Daten gehen verloren. Die Kirche braucht eine Resilienz, die nicht an einzelne digitale Lösungen gebunden ist. Das evangelische Prinzip "ecclesia semper reformanda" erhält hier neue Bedeutung: Die Kirche als Gefüge muss sich ständig neu konfigurieren.
Theologische Rückfragen: Ekklesiologie zwischen Sichtbarkeit und Unsichtbarkeit
Eine kritische theologische Rückfrage muss lauten: Lässt sich die Kirche überhaupt angemessen mit philosophischen Konzepten wie Rhizom und Gefüge beschreiben? Die reformatorische Unterscheidung zwischen sichtbarer und unsichtbarer Kirche behauptet eine Dimension des Kircheseins, die sich empirischer Beschreibung entzieht. Die Kirche ist, wo das Wort Gottes rein gepredigt und die Sakramente recht verwaltet werden (CA VII) – eine Definition, die weder mit Hartmanns Schichtontologie noch mit Deleuzes Gefügeverständnis einfach korreliert.
Dennoch lässt sich argumentieren, dass gerade das Rhizom-Modell der evangelischen Ekklesiologie gerecht wird: Die unsichtbare Kirche ist nicht lokalisierbar, nicht zentral organisierbar, nicht hierarchisch strukturiert. Sie realisiert sich in multiplen, vernetzten, heterogenen Kontexten. Das Wirken des Heiligen Geistes folgt nicht arboristischen Logiken von Ableitung und Kontrolle, sondern rhizomatischen Prinzipien der Konnexion und Multiplizität.
Hartmanns Gefügebegriff wiederum ermöglicht es, die Inkarnation der Kirche ernst zu nehmen: Geist wird nicht ohne Materie, Gemeinschaft nicht ohne Körper, Glaube nicht ohne soziale Praktiken. Die Schichtung erinnert daran, dass die höchste, geistliche Dimension der Kirche fundiert ist in konkreten, weltlichen Trägerschichten.
Schluss: Toward einer fluiden Ekklesiologie
Die Evangelische Kirche im digitalen Zeitalter steht vor der Aufgabe, ihre Identität zwischen Kontinuität und Transformation zu vermitteln. Die Konzepte von Rhizom und Gefüge – verstanden sowohl in Deleuzes als auch in Hartmanns Sinn – bieten Denkwerkzeuge für diese Herausforderung.
Eine rhizomatische Ekklesiologie würde die Kirche nicht als feste Institution mit klaren Grenzen verstehen, sondern als dynamisches Netzwerk von Beziehungen, Praktiken und Diskursen. Sie würde die Pluralität evangelischen Kircheseins nicht als Problem, sondern als Struktur begreifen. Sie würde Digitalisierung nicht als Bedrohung oder Chance verstehen, sondern als Intensivierung bereits vorhandener rhizomatischer Tendenzen.
Zugleich würde eine am Gefügebegriff orientierte Ekklesiologie die ontologische Komplexität kirchlicher Wirklichkeit anerkennen. Sie würde fragen: Welche materiellen, sozialen, kulturellen und geistlichen Schichten konstituieren Kirche? Wie sind diese Schichten aufeinander bezogen? Welche Abhängigkeiten bestehen? Welche Autonomien?
Die Spannung zwischen beiden Ansätzen – Hartmanns Suche nach Ordnung und Deleuzes Betonung von Prozess – muss produktiv gehalten werden. Kirche ist weder reines Werden noch statische Struktur, sondern beides: ein stabilisiertes Gefüge, das sich ständig neu territorialisiert; eine ontologische Schichtung, die sich transformiert; ein Rhizom, das Wurzeln schlägt.
In dieser Perspektive ist die Digitalisierung weder technische Anpassungsaufgabe noch kulturelle Revolution, sondern Katalysator für grundlegende ekklesiologische Fragen: Was ist Kirche? Wo ist Kirche? Wie ist Kirche? Die Antworten auf diese Fragen werden rhizomatisch sein – multipel, vernetzt, ohne Zentrum. Und sie werden als Gefüge existieren – geschichtet, fundiert, konkret. Ob diese Antworten theologisch tragfähig sind, wird sich daran zeigen, ob in ihnen das Evangelium erklingt, Gemeinschaft entsteht und der Glaube gelebt werden kann – in welchen Territorialisierungen auch immer.